Massnahmen bezogen auf die Kandidatinnen/Kandidaten und die Person, die mit der Durchführung des Einstellungsverfahrens beauftragt ist.
1.1
Analysieren, inwieweit die ausgeschriebenen Stellen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen vereinbar sind
Mehrere Studien haben ergeben, dass die genannten flexiblen Arbeitszeitmodelle keine negativen Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität haben (siehe zum Beispiel das Dossier der Professoren Yves Emery und Beat Uebelhart (2013): «Effizienz und soziale Verantwortung. Die Kombination Work-Life-Balance, Produktivität und Qualität» HRM-Dossier Nr. 27). Es ist vielmehr so, dass sich die flexiblen Arbeitszeitmodelle auf die Motivation und die Lebensqualität am Arbeitsplatz auswirken, da eine Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ermöglicht wird. Die betreffenden Personen setzen sich stärker für ihren Beruf und die Qualität ihrer erbrachten Leistungen ein. (D/F)
KMU-Handbuch Beruf und Familie: Dieses vom SECO herausgegebene Handbuch richtet sich an kleine und mittelständische Privatunternehmen. Viele der Informationen lassen sich jedoch auch auf öffentliche Einrichtungen übertragen. Siehe zum Beispiel das Kapitel «Arbeitsmaterialien». Es enthält Support-Bögen mit Modellanalysen von Aufgaben und einer Stellenanalyse, um die Relevanz und die Durchführbarkeit eines Jobsharings oder die Umwandlung der Stelle in eine Teilzeitstelle zu bestimmen. (D/F)
Work Smart Initiative: Die Work Smart ist eine unternehmensübergreifende Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, flexible Arbeitsformen zu fördern. Die Internetsite enthält wichtige Tipps für Personen und Unternehmen, die mehr über flexible Arbeitsformen erfahren wollen. (D/F)
FlexWork Survey 2016: Das Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung (ifk) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat im Auftrag der Work Smart Initiative eine wissenschaftliche Befragung zur Verbreitung mobiler Arbeitsformen in der Schweiz durchgeführt. Die Studie untersucht zudem unterstützende Strukturen für mobile und flexible Arbeit in den Unternehmen. (D)
1.2
Definition der Bewerbungsprofile, Stellenbeschreibungen und Pflichtenhefte. Dabei muss sichergestellt sein, dass die gewünschten Kriterien weder Frauen noch Männer diskriminieren
Für eine eher «weibliche» Stelle (z. B. Rezeption) Ausdrücke wie z.B. «Einfühlungsvermögen», «anderen gut zuhören können» vermeiden. Stattdessen eher Formulierungen wie z.B. «Fähigkeit zur Zusammenarbeit», «Teamfähigkeit» oder «Serviceorientierung und Kundenzufriedenheit» verwenden.
Für eine eher «männliche» Stelle (z. B. Vorarbeiter) Ausdrücke wie z.B. «selbstsichere Persönlichkeit», «durchsetzungsstark und selbstbewusst» vermeiden. Stattdessen eher Formulierungen wie z.B. «ausgeprägte Führungskompetenzen» verwenden.
Mit dem Analyse-Instrument MPA (Master Person Analyses) können die für eine bestimmte Stelle erwarteten Fertigkeiten und die bei den Kandidatinnen/Kandidaten ermittelten Fähigkeiten objektiviert werden. (D/F)
Die Broschüre "Kompetente Bewerberinnen und Bewerber finden" vom Gleichstellungsbüro des Kantons Basel-Stadt enthält Tipps für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Stelleninseraten. (D)
"PEGASUS – Personalgewinnung mit Schlüsselkompetenzen" von der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Bern enthält Anleitungen und Checklisten für ein geschlechtergerechtes Bewerbungsverfahren. (D)
Die Webseite der Universität Lausanne enthält eine Toolbox und eine Broschüre (auch in englischer Sprache) zum gleichberechtigten Ablauf von Bewerbungsprozessen zur Auswahl. (F, E)
1.3
Stellenausschreibungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben attraktiv verfassen
«Wir bieten moderne und familienfreundliche Arbeitsbedingungen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen sowie interessante berufliche Entwicklungsperspektiven» – Satz aus einer Stellenausschreibung des BAKOM (Bundesamt für Kommunikation).
! Darauf achten, dass bei der Bestimmung eines Stellenprofils oder einer Stellenausschreibung Stereotype über Frauen und Männer nicht verstärkt werden, indem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eher bei «weiblich» konnotierten Stellen besonders betont wird.
1.4
Stellenausschreibungen geschlechtergerecht verfassen
Grundlegende Hinweise für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache in Stellenausschreibungen:
Die Schweizerische Bundeskanzlei hat in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) einen Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren veröffentlicht. Der Leitfaden ist als Nachschlagewerk konzipiert und kann somit bei konkreten Fragen hinzugezogen werden. (D)
Auf der Webseite der Universität Basel findet man konkrete Beispiele zum geschlechtergerechten Formulieren, sowie eine Liste von weiterführenden Links zu anderen Sprachleitfäden. (D)
Das Gleichstellungsbüro des Kantons Waadt bietet Informationen und Beispiele an, um das Verfassen von geschlechtergerechten Texten zu erleichtern, insbesondere eine alphabetische Liste mit der weiblichen und männlichen Form von 2000 Handwerks-, Berufs-, Funktions-, Titelbezeichnungen und anderen Tätigkeiten. (F)
Écrire les genres, guide romand d'aide à la rédaction administrative et législative épicène [Gendergerechtes Schreiben, westschweizerischer Leitfaden zum geschlechterneutralen Schreiben in Verwaltung und Recht]: Dieser von den Gleichstellungsbüros der Westschweiz erstellte Leitfaden hat zum Ziel, das Verfassen von Texten für Nutzerinnen/Nutzer zu erleichtern. (F)
1.5
Bei der Auswahl der Bewerbungsunterlagen und/oder den Bewerbungsgesprächen gemischte Teams bilden
Ein nicht gemischtes Einstellungsgremium bildet sich unbewusst ein Profil seines/seiner idealen Kandidaten/Kandidatin gemäss seinen Erwartungen, seinen Vorstellungen von der Stelle und seinen Gewohnheiten. Sein Gedankenbild von der "idealen" Person (eher eine Frau oder eher ein Mann) beeinflusst seine Auswahlentscheidungen und kann dazu führen, dass die Kandidatinnen/Kandidaten, die nicht dem Idealbild entsprechen, diskriminiert werden.
Ein gemischtes Einstellungsgremium ermöglicht, dass die Vorstellungen von der idealen einzustellenden Person vielseitiger sind. Die Vielfalt und Kombination von Standpunkten und Perspektiven wird gefördert sowie eine Diskussion über die Gründe, die ausschlaggebend für eine/einen Kandidatin/Kandidaten sind.
Frauen in Führungspositionen: So gelingt‘s: Diese Broschüre des SECO beschreibt mehrere Best Practices, die in verschiedenen in der Schweiz ansässigen Unternehmen und KMUs praktiziert werden, um egalitärere Prozesse, insbesondere die Implementierung von gemischten Gremien in Einstellungsverfahren zu schaffen. (D/F)
1.6
Bei der Auswahl der Bewerbungsunterlagen und bei den Bewerbungsgesprächen die ausserberuflich erworbenen Kompetenzen anerkennen
Fächerübergreifende Kompetenzen haben im Allgemeinen keinen direkten Bezug zu einem bestimmten Berufsbereich und stellen allgemeine Qualifikationen dar, die für die Ausführung von Aufgaben in verschiedenen Funktionen und beruflichen Zusammenhängen erforderlich sind, wie z.B. Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Stressresistenz, Anpassungsfähigkeit, Organisationsfähigkeit oder Entscheidungsfähigkeit.
Die von einer Frau oder einem Mann erworbenen Fähigkeiten bei der Erziehung ihrer/seiner Kinder, im Rahmen einer Funktion als Kassiererin/Kassier eines Vereins oder als Vorsitzende/r eines Sportvereins anerkennen und wertschätzen.
Die beiden Handbücher "Familienarbeit macht kompetent – wer den Haushalt managt, qualifiziert sich für das Berufsleben" (ISBN 3-85569-255-6) und "Schlüsselkompetenzen wirksam erfassen – Personalselektion ohne Diskriminierung" (ISBN 3-85612-124-2) zeigen auf, wie ausserberuflich erworbene Kompetenzen gewürdigt und in die Personalselektion integriert werden können. (D)
1.7
Bei der Durchsicht der Bewerbungsunterlagen und beim Führen der Bewerbungsgespräche Kriterien anwenden, die weder Frauen noch Männer diskriminieren
Bei einem Gespräch über die Auswahl der Bewerbungen und der Kandidaten/Kandidatinnen, bei einer Sitzung zum Einstellungsverfahren oder bei einer Weiterbildung zur Personalrekrutierung:
Während des Auswahlprozesses besteht das Risiko, einen Beruf, eine Stelle oder eine Funktion in Zusammenhang mit den in der Gesellschaft vermittelten Bildern und Geschlechterstereotypen einseitig wahrzunehmen: Zum Beispiel wird eine Frau spontaner mit dem Beruf der Kleinkinderzieherin oder der Verwaltungsassistentin und ein Mann mit dem Beruf des Gärtners oder des IT-Verantwortlichen in Verbindung gebracht. Unterschiedliche Erwartungen können von den am Auswahlprozess teilnehmenden Personen auch je nach Geschlecht und Aussehen der Kandidaten/Kandidatinnen entwickelt werden. Die Stellenbesetzung würde dann zum Teil auf der Grundlage von geschlechterspezifischen Kompetenz-Stereotypen und des Aussehens erfolgen, was sich nachteilig auf die realen Kompetenzen des/der Kandidaten/Kandidatin auswirkt.
Bei den Gesprächen, die im Rahmen der Entwicklung des Tools PRO-EGALITÄT geführt wurden, haben mehrere Frauen erwähnt, vor allem damit Schwierigkeiten zu haben, sich während eines Bewerbungsgesprächs zu behaupten und ihre professionellen Kompetenzen zu verkaufen sowie ihre Arbeitsbedingungen und ihren Lohn zu verhandeln. Studien haben sich ebenfalls mit dieser Tendenz befasst (siehe z.B. A. Cornet et al. 2008 «GRH et genre. Les défis de l'égalité hommes-femmes.», F).
Unser alter Personalchef sagte immer: Wir sind Menschen, wenn wir jemanden rekrutieren. Sich nicht vom Aussehen beeinflussen zu lassen, ist ein Handwerk, das man erlernen muss.